Musik und Sprache sind sehr eng miteinander verknüpft.
Forschungen zeigen, dass Kinder mit Auffälligkeiten in der sprachlichen Grammatik auch Auffälligkeiten in der musikalischen Grammatik und Struktur haben. Gleichzeitig ist es erwiesen, dass das Training der musikalischen Strukturen zu Verbesserung in den sprachlichen Strukturen führt.
Warum führt das Üben musikalischer Strukturen zu einer Verbesserung sprachlicher Strukturen?
Sprache in Form von sprachlicher Grammatik und sprachlicher Struktur wird vorwiegend in der linken Hirnhälfte verarbeitet. Betrachtet man dagegen die Sprechmelodie, so lässt sich feststellen, dass sie eher in der rechten Hirnhälfte verarbeitet wird. Die Sprechmelodie ist so etwas wie die Musik der Sprache, die Betonung, die Dynamik, der Schwung beim Sprechen.
Es sind also beide Hirnhälften bei der Verarbeitung von Musik und von Sprache beteiligt.
Beim Hören von Musik und auch von Sprache nimmt das Gehirn zuerst die übergeordnete Struktur wahr, hört also zunächst die Melodie, den Sprachfluss, das Intuitive. Danach erst findet eine strukturiertere, analytische Verarbeitung statt.
Die übergeordnete Struktur wird auch bezeichnet als die formalen, suprasegmentalen Elemente der Sprache. Zu den suprasegmentalen Elementen gehört all das, was in der Sprache segmentübergreifend ist, also alles, was nicht zergliedert werden kann. Dazu zählen die auditiven Merkmale von Sprache (Dauer, Tonhöhe, Betonung, Dynamik), die akustischen Merkmale (Grundfrequenz, Intensität) und die artikulatorischen Merkmale (Schwingungsverhalten, Luftstrom).
Wir kennen das Sprichwort: „Der Ton macht die Musik“. Die suprasementalen Elemente sind „der Ton“, der die Musik der Sprache macht, also die mitschwingenden Inhalte. Daher werden sie auch als „Prosodie“ bezeichnet.
Ursprünglich kommt der Begriff „Prosodie“ aus dem Griechischen und bedeutet „das Hinzugesungene“. In der frühen kindlichen Sprachentwicklung spielen diese Elemente eine große Rolle. Wir kennen das aus der sogenannten „Ammensprache“, einer melodische Lautsprache. Werden diese Elemente in der Kommunikation mit Kindern zu wenig berücksichtigt, z.B. durch unklare Sprachmelodiekonturen, kann dadurch die Sprachentwicklung beeinträchtigt werden. Die Sensibilisierung für prosodische Elemente in der sprachlichen Frühförderung ist daher besonders wichtig. Die „suprasegmentalen“ Elemente der Sprache sind den linguistischen Elementen vorgeordnet.
„Suprasegmental“ und „prosodisch“ bezeichnen fast das Gleiche und werden in der Fachliteratur oft synonym verwandt.
Zusammengefasst lässt sich sagen:
- Sprache in Form von lexikalischer und syntaktischer Information, also Satzbau und andere grammatikalische Dinge wird vorwiegend in der linken Gehirnhälfte verarbeitet.
- Die suprasegmentalen Merkmale der Sprache (Prosodie), also die „Musik der Sprache“, „das Hinzugesungene“ wird eher in der rechten Gehirnhälfte verarbeitet.
- Die grobe Struktur geht immer der feineren Analyse voraus. Das Gehirn verarbeitet erst die suprasegmentalen Elemente (die „Musik der Sprache“, den Sprachfluss), dann erst die Grammatik.
- Musik ist somit eine Grundlage der Sprache und wer musikalische Fähigkeiten verbessert, verbessert auch sprachliche Fähigkeiten.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Forschungsbeiträgen zur Wirkung von Musik auf die Sprachentwicklung.
Einig sind sich die Forschenden darin, dass Musik in der Sprachförderung Wirkung zeigt. Ist das nicht klasse? Gerade in der Arbeit mit Kindern im Kindergartenalter lässt sich Musik gut in den Alltag integrieren oder auch von außen in den Kindergarten „hereinholen“, z.B. in Form von musikalischer Früherziehung.
Sprachförderung mit Musik: Lasst uns loslegen! Aber wie?
Meiner Meinung nach sollte musikalische Sprachförderung darauf eingehen, dass die suprasegmentale, prosodische Ebene von Sprache den linguistischen Sprachelementen vorgeordnet ist. Bevor auf die „musikalische Grammatik“ gelernt wird, ist es daher wichtig, Musik ganzheitlich zu erfassen, durch:
- Singen, z.B. Lieder singen, aber auch Tönen von Silben, unterschiedliche Betonungen anhören und damit experimentieren
- Unterschiedliche Tonhöhen heraushören und (mit Bewegungen) darstellen und auf Instrumenten ausprobieren
- Verschiedene musikalische Stile entdecken, z.B. das gleiche Lied auf unterschiedliche Arten singen
- Den Unterschied zwischen verschiedenen Tempi erfahren, in den Extremen sehr schnell und sehr langsam und verschiedenen Lautstärken, in den Extremen sehr laut und sehr leise und den dazwischenliegenden Nuancen, zum Beispiel hier: Spielt eine Trommel ganz laut im Kreis
- Mit Rhythmen experimentieren, Wörter in ihren Silben musikalisch darstellen, Pausen wahrnehmen – wie lang darf eine Pause sein, dass sie noch zu dem Lied gehört? 😉 Warum sind Pausen in der Musik und in der Sprache so wichtig? Zum Beispiel: Rhythmischer Obstsalat oder Stille Post – laute Post
- Dissonanzen und Harmonien wahrnehmen: Was passt zusammen, was klingt zusammen und welche Wirkung hat das? Z.B. gibt es Musik, die uns entspannt oder Musik, die uns aufweckt 🙂 Beispiel für die Wirkung ruhiger Musik: Besuch auf einer Insel
- Freies Improvisieren: Es gibt viele Spiele, die das freie Improvisieren zu bestimmten Themen ermöglichen und damit stille Kinder ermutigen, sich musikalisch zu äußern. Denn in der freien Improvisation darf ausprobiert werden, ohne, dass „korrigiert“ wird, es gibt keine „falschen“ Töne. Ein Beispiel für ein solches Spiel: Musik mit Luftballons
- Sprache und Geschichten verklanglichen, sich überlegen, wie Sprache klanglich dargestellt werden kann, wie der Inhalt der Geschichte durch Musik betont werden kann, z.B.: Knuddel hat Angst – eine Klanggeschichte
Ganz wichtig ist es, eine gute, vertrauensvolle Beziehung zu den Kindern herzustellen, in der experimentiert und ausprobiert werden kann.
Die Freude und der Spaß am Spielen soll im Vordergrund stehen! Ständiges Korrigieren und korrigiert werden erzeugt Druck und gibt den Kindern ein Gefühl des „Mangels“. Daher sollte möglichst frei und spielerisch an die Musik und damit an Sprache herangegangen werden. Ich verstehe mich dabei als „Begleiterin“ der Kinder, die gemeinsam mit den Kindern neue musikalische Räume entdeckt.
Später kann ganz gezielt die linguistische Ebene durch musikalische Strukturen angesprochen werden, durch das Erlernen der „musikalischen Grammatik“, der Notenschrift, der Harmonielehre usw.
Jeder Mensch ist musikalisch! Jeder Mensch hat ja auch die Sprache gelernt.
Also probier doch einfach mal was Neues aus, es gibt keine „falschen“ Töne, wenn wir experimentieren.
Sprachprobleme, Frust und Ärger – Was war zuerst da, das Huhn oder da Ei?
Sprachdefizite haben oft weitreichende Gründe im bio-psycho-sozialen Umfeld und führen ihrerseits schnell zu weiteren Einschränkungen, wie z.B. Kränkungen aufgrund von Sprachproblemen, Ausgrenzung, mangelndem Selbstwertgefühl.
Sprachdefizite können zum Rückzug führen, zum aggressiven Ausagieren, zur Frustration, zu Lernschwächen, und Vielem mehr. Sprachdefizite können vielfältige Folgen haben und die ganze weitere Entwicklung beeinträchtigen.
Daher ist es wichtig, Sprachprobleme im Kindesalter ernst zu nehmen und sich fachliche Hilfe zu suchen. Oft reichen schon kleine Fördermaßnahmen, um eine Verbesserung zu erreichen.
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Quellenangaben zum Nach- und Weiterlesen:
Friederici, A. D., & Alter, K. (2004). Lateralization of auditory language functions: a dynamic dual pathway model. Brain and Language, 89 (2), 267-276
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Sind Sie auch an Schulen tätig oder kommen Sie auch in Schulen? Ich habe Ihnen eine Mail geschrieben. Mit freundlichen Grüßen,
Antwortmail ist raus!
Ein Freund von mir ist Logopäde. Er hat mir auch von musikalischen Behandlungsmethoden erzählt. Interessant, dass Sprechmelodie anders als Sprache eher in der rechten Hirnhälfte verarbeitet wird.